Als ich im Frühjahr 1957 meinen Gesellenbrief als Schreiner in der Tasche hatte, meinte die Chefin, ich solle mit einem Volontärvertrag in der Firma bleiben. Das konnte ich nicht: ich war Geselle! Ein mit meinem Vater befreundeter Meister stellte mich zum normalen Lohn – 1,88 DM – ein. Mein Vater hat sich in dieser Zeit auch nach den Aufnahmebedingungen der Staatsbauschule erkundigt und mich überredet die Aufnahmeprüfung abzulegen. Dem schulischen Betrieb ziemlich entwöhnt, war ich doch sehr aufgeregt als es soweit war. Ich bekam einen Tag Urlaub und fuhr nach Frankfurt. Es lief alles sehr gut bis auf’s Rechnen. Da hat mich der aufsichtsführende Dozent so aus der Fassung gebracht dass selbst 1+1 nicht mehr funktioniert hat. Die folgende mündliche Prüfung war wieder sehr gut…. Aber ich bin durchgefallen. Ein paar Tage später bin ich wieder nach Frankfurt gefahren und habe mit dem Direktor gesprochen und um Aufklärung gebeten. Es war nur das Rechnen! Alles andere war gut bis sehr gut. Er schlug mir vor, das Vorsemester zu besuchen. Es koste zwar Geld sei aber gut.
Ich habe mich sofort angemeldet. Dieses Vorsemester wurde vom BDB betrieben. Die Dozenten der Staatsbauschule und ein pensionierter Deutschlehrer unterrichteten junge Männer aus allen Bauhauptgewerken. Es waren alle Berufe vertreten: Tiefbau als auch Hochbau – Volksschüler, Mittelschüler, Gymnasiasten sogar Abiturienten. Die Prüfung danach war dann kein Problem mehr. In den ersten Semestern war Baurat Döhner unser Semesterleiter. Nach den ersten Eingewöhnungswochen empfahl er uns sehr nachdrücklich, zu den Vorträgen des BDB zu gehen. Diese monatlichen Vortragsabende fanden im Saal des „Steinernen Haus“ in der Braubachstraße in Frankfurt statt. Die Vorträge zum Teil mit Lichtbildern auch mal ein kleiner Film, waren in den 50iger Jahren eine wichtige Informationsquelle. Einzelheiten weiß ich heute nicht mehr, bis auf einen Film: eine Firma stellte ihre Riesengeräte für Autobahn- und Straßenbau vor. Es war einfach faszinierend! Es entstanden auch Freundschaften, die zum Teil heute noch bestehen. So bin ich 1959 als Studentenmitglied eingetreten und 1961 nach dem Saatsexamen Vollmitglied geworden.
Ende 1961 haben wir dann geheiratet und unsere 3 Kinder haben auch nicht lange auf sich warten lassen So habe ich in den frühen 60iger Jahren manchen BDB-Abend verpasst. Aber… mein Mann war Tiefbauingenieur und auch BDB-Mitglied, so dass ich vom Beruf doch nicht ganz abgeschnitten war. Als die Kinder etwas älter waren, haben wir uns bei den Vorträgen abgewechselt. Einmal im Jahr gab es einen großen festlichen Ball entweder im Zoogesellschaftshaus oder im Palmengarten.
Ab 1970 konnten wir auch wieder an Exkursionen und Besichtigungen teilnehmen.
1971 haben wir München besucht und das fast fertige Olympiastadion besichtigt.
1990 waren wir in Dresden und der „Sächsischen Schweiz“. Die Frauenkirche war noch ein Trümmerhaufen und man wusste noch nicht ob man sie wieder aufbauen sollte, weil hunderte von Toten unter den Trümmern lagen. Die Semperoper war ein Erlebnis! Es gab auch einen Ausflug nach Meisen und Moritzburg, leider nur von außen. Irgendwann begann die Partnerschaft mit der Untec Rhone in Lyon – Frankfurts Partnerstadt. Wir fuhren nach Lyon und die Kollegen kamen zu uns.
Es entstanden einige Freundschaften für die ich Französischunterricht genommen habe. Briefwechsel war intensiv. Auch die Kinder wurden wechselseitig ausgetauscht. Erst mit dem hohen Alter ist dies eingeschlafen. Wir waren mit dem BDB noch oft in Frankreich, England war auch zwei Besuche wert.
Als der Tunnel unter dem Ärmelkanal fertig war, sind wir von Paris aus mit dem Zug nach England gefahren. Auf der Heimreise Richtung Belgien fiel in unserem Waggon das Licht aus: mit der Notbeleuchtung konnten wir wunderbar die Tunnelwände sehen. War doch Sinn der Reise? Oder?
In Frankfurt habe ich an der Besichtigung des Hochhauses an der Messe teilgenommen. Von da oben waren die Autos auf der Straße nur Fingerglied groß. Bevor die U-Bahn nach Sachsenhausen fuhr haben wir die Baustelle unter dem Main besucht. Dass der Main über unseren Köpfen fließt, war schon ein ganz besonderes Gefühl.
Wir haben auch die Baustelle des Brennertunnels besucht.
Schade, dass heute so vieles virtuell stattfindet. Das unmittelbare Erlebnis fehlt da.
Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass ich das einzige Mädchen bei den Schreinern auch in der Berufsschule war. In der Staatsbauschule waren wir dann 5 Mädchen verteilt über alle Semester. Da das Gebäude zu der Zeit Baustelle war, haben wir uns so gut wie nie gesehen. Der Unterricht fand sowohl frühmorgens als auch abends statt: immer 6×45 Minuten.
Exkursionen gab es auch: Baustelle Henninger Turm mit Bierprobe und Schokoladenfabrik in Hattersheim. Die Schokolade ist mir entgangen, weil sich für mich keine Mitfahrgelegenheit ergab. Dafür gabs am nächsten Tag eine Standpauke vom Dozenten. Dies alles hat nicht mit dem BDB zu tun, fällt aber in die Frühzeit der „Gleichberechtigung“
Nun freue ich mich darauf, dass es wieder möglich wird an Seminaren teilzunehmen.
Christiane Hellwich
2024 ist Christiane Hellwich 65 Jahre Mitglied im BDB-HESSENFRANKFURT. In einem selbstverfassten Beitrag schaut sie zurück auf die Zeit im BDB und ihre Zeit als Ingenieurin in einer männlich geprägten Branche. Wir veröffentlichen ihren Beitrag mit Bildern als Einblick in eine vergangene Zeit und Anregung für Neues.