Die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag fordert eine Änderung der Hessischen Bauordnung (HBO), um insbesondere bei Gebäuden mit vier oder weniger Geschossen die Anzahl der barrierefrei zu errichtenden Wohnungen zu erhöhen. Die SPD Fraktion stützt sich dabei u. a. auf eine Studie der Landesregierung, die eine Erhöhung des Bedarfs an altengerechten Wohnungen auf 300.000 Einheiten bis zum Jahr 2040 prognostiziert.
Hierzu nimmt der BDB-HESSENFRANKFURT wie folgt Stellung nehmen:
Begrifflichkeit und regulative Ausformung
Grundsätzlich ist immer wieder festzustellen, dass selbst in Fachkreisen bei der vorliegenden Thematik Begriffe wie Behindertengerechtigkeit, Barrierearmut oder Altersgerechtigkeit häufig nicht entsprechend differenziert werden und unter dem Schlagwort Barrierefreiheit subsumiert werden. Dies ist insofern nicht zielführend, da es hier tatsächlich große Unterschiede gibt und die regulative Ausformung für Barrierefreiheit ohnehin schon völlig überbordend und teilweise nicht praktikabel ist. Jeder Praktiker weiß, dass die Anforderungen an Barrierefreiheit schon jetzt durch die bauaufsichtlich eingeführte DIN 18040 sowie der Hessischen Bauordnung selbst nicht nur übermäßig hoch, sondern teilweise auch zwangsläufig zum Verstoß gegen diverse anerkannte Regeln der Bautechnik führen, was immer häufiger zu rechtlichen Auseinandersetzungen führt. Hier wäre eine Überarbeitung dringend angezeigt.
Bezahlbarkeit
Eine der wesentlichsten Anforderungen an den Wohnungsbau – nämlich seine Bezahlbarkeit – wird durch immer weiter zunehmende Partikularforderungen verhindert. Wie allzu oft, wenn einzelne Lobbygruppen auf Gesetzesinitiativen drängen, werden die Auswirkungen auf die Bezahlbarkeit im besten Fall beschönigt und im schlechtesten schlicht negiert. So auch hier: Jedem, der eine Verschärfung an die Anforderungen an Barrierefreiheit fordert, muss dabei klar sein, dass er eine weitere Verteuerung von Wohnraum zu verantworten hat.
Der Hessische Gesetzgeber hat aus gutem Grund bislang Gebäude mit bis zu 4 Geschossen bei den Anforderungen an Barrierefreiheit geschont, da ansonsten der Einbau eines Aufzugs zwangsläufig auch in dieser Gebäudekategorie zwingend erforderlich würde, was die Hessischen Bauordnung jedoch bislang eben ausdrücklich nicht vorsieht. Diese Schonung aufzugeben, würde eine immense Verteuerung von Wohnraum bedeuten, da nicht nur der Einbau eines Fahrstuhls Bau- und Opportunitätskosten mit sich bringt und damit die notwendige Kaltmiete erhöht, sondern gerade bei kleinen Gebäuden ganz erhebliche Betriebskosten mit sich bringt, da diese nur auf eine geringe Anzahl an Wohnungen umgelegt werden können. Dies betrifft in der Regel „bezahlbaren Wohnraum“, da hochwertigere Wohnhäuser meist Fahrstühle besitzen, da hier die Höhe der Nebenkosten nicht im selben Maß entscheidend ist.
In diesem Zusammenhang ist generell zu bemängeln, dass bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zu den Auswirkungen von Vorschriften der Barrierefreiheit meist nur auf die Baukosten abgezielt wird. Das ist grob falsch, da die sogenannten Opportunitätskosten in Form von Wohnflächenverlust, durch z.B. größere Treppenhäuser und sonstigen Erschließungsflächen, in der Regel wirtschaftlich viel stärker ins Gewicht fallen und damit die Wohnkosten nach oben treiben. Zudem ist zu bedenken, dass nur ein geringer Teil der barrierefrei hergestellten Wohnungen von der entsprechenden Zielgruppe bewohnt wird. Gerade bei Eigentumswohnungen ist der Verkauf einer barrierefreien Wohnung an einen „passenden“ Käufer die absolute Ausnahme.
Aus all den benannten Gründen ist die Barrierefreiheit (zumindest in ihrer derzeitigen gesetzlichen Definition) mittlerweile zu einem der größten Kostentreiber im Wohnungsbau geworden, ohne dass hier wirklich ein breiter Allgemeinnutzen zu erkennen wäre.
Partikularinteressen versus Allgemeinwohl
Beim Wohnungsbau müssen eine Vielzahl unterschiedlichster Interessen und Ziele gegeneinander abgewogen werden. Insofern wäre bei der Anhörung im Landtag zu erwarten, dass Verbände aus einem breiten Spektrum eingeladen werden. Betrachtet man die vorliegende Einladungsliste, sind jedoch schwerpunktmäßig Verbände eingeladen, die einschlägige Partikularinteressen hinsichtlich von Barrierefreiheit verfolgen und deswegen nicht eine neutrale bzw. themen- und fachübergreifende Einschätzung liefern können. Dies wird vom BDB-HESSENFRANKFURT ausdrücklich als unausgewogen und problematisch beanstandet.
Zusammenfassung
Um der in der Begründung der Gesetzesinitiative benannten Personengruppe der älteren Menschen tatsächlich ein besseres Wohnraumangebot machen zu können, ist es deshalb angezeigt, die bereits bestehenden schon sehr hohen Standards nicht noch weiter zu verschärfen. Denn dies würde letztendlich zu noch höheren Wohnkosten und in Folge zu weniger Wohnungsneubau führen. Neubauwohnungen sind verglichen mit Alt- bzw. Bestandsbauten in der Regel ohnehin schon sehr barrierearm und in der Praxis dadurch durchaus für ältere Menschen geeignet. Insofern muss gerade für die benannte Personengruppe das Ziel sein, überhaupt möglichst viele Neubauwohnungen zu schaffen. Die vorgeschlagene Verschärfung der Hessischen Bauordnung würde dies jedoch massiv erschweren.
BDB-HESSENFRANKFURT