Wohnungsbau und Infrastruktur als Gradmesser für die hessische Baubranche
Bereits zum vierten Mal luden am 25. Januar der Verband baugewerblicher Unternehmer Hessen e.V., der Bauindustrieverband Hessen-Thüringen e.V., der Verband beratender Ingenieure sowie der Bund Deutscher Baumeister Architekten und Ingenieure Frankfurt Rhein Main e.V. und weitere Verbände zur gemeinsamen Jahresauftaktveranstaltung ein.
György Varga, Präsident des Bauindustrieverbandes Hessen-Thüringen e.V., begrüßte rund 250 Gäste aus Wirtschaft, Verbänden und Politik im Plenarsaal der Industrie- und Handelskammer Frankfurt. Er betonte in seiner Rede die Bedeutung der Bauwirtschaft als Schlüsselbranche in Hessen: „Mit knapp 115 Mrd. Euro Bauumsatz haben wir in 2017 wieder einen Rekord erreicht. Und nach den Prognosen geht es weiter aufwärts. Aber wir könnten deutlich mehr bauen. Fakt ist, dass wir die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen müssen. Wir alle wissen, der Bedarf für die Projekte ist da, es scheitert auch nicht am Geld – nur die Planung und Genehmigung dauert viel zu lange. Jedem Politiker muss einleuchten, welche Gefahren eine solche Entwicklung für eine Volkswirtschaft mit sich bringt. Oberste Priorität hat deshalb die Planungsbeschleunigung. Aus unserer Sicht muss bei reinen Ersatzbaumaßnahmen z.B. im Brückenbau auf Planfeststellungsverfahren weitgehend verzichtet werden. Erforderlich sind zudem ein „Redaktionsschluss“ für einzelne Planungsschritte und die Eingrenzung des Verbandsklagerechts im Umweltbereich. Einzelne dürfen Projekte nicht über Jahre und Jahrzehnte verzögern.“
Der Präsident des Verbandes baugewerblicher Unternehmer Hessen e.V., Frank Dittmar, machte in Richtung der Politik deutlich: „Es ist nun höchste Zeit, die Weichen richtig zu stellen. Das Bauen von Wohnungen und die Ertüchtigung der digitalen Infrastruktur sowie eine in die Zukunft gerichtete Verkehrspolitik sind wichtige Aufgaben in unserem Land, die umgehend angepackt werden müssen. Die Praxis hat gezeigt, dass die bisherige Trennung von Bau und Verkehr in zwei Ministerien ein Fehler war. Wir fordern daher ein starkes Ministerium für Bau und Infrastruktur, sowohl in Berlin als auch in Wiesbaden. Es braucht schnellere Abstimmungsprozesse, wenn wir Bauprojekte insgesamt deutlich zügiger umsetzen wollen.“
Das aktuell insbesondere im Ballungsgebiet drängende Problem Wohnungsbau leitete Tobias Rösinger von Seiten des Bundes Deutscher Baumeister Hessen-Frankfurt ein: „Insbesondere ausufernde Standards und Normen führen zunehmend zu Problemen im Wohnungsbau: Sie sind nicht nur Kostentreiber, sie erhöhen sogar die Rechtsunsicherheit und führen zu mehr Bauschäden. Das Wettrüsten bei Standards durch immer schärfere Anforderungen aufgrund von Partikularinteressen muss durchbrochen werden!“
Die anschließende Diskussionsrunde „Weiter so oder Kurswechsel – wohin steuert die Wohnungsbaupolitik?“ unter der Moderation von Werner Schlierike von hr-info griff diesen Punkt auf. Es diskutierten Elke Barth MdL, mittelstandspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Ulrich Caspar MdL, wohnungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag, Hildegard Förster-Heldmann MdL, wohnungspolitische Sprecherin der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Fraktion im Hessischen Landtag, Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn MdL, haushalts- und finanzpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag und Hermann Schaus MdL, wohnungspolitischer Sprecher der DIE LINKE-Fraktion im Hessischen Landtag. Als großes Problem wurde die Baulandknappheit in den hessischen Großstädten benannt, auch der Fachkräftemangel bei Ausführenden, Planern und Behörden verzögere den Bauprozess bereits heute erheblich. Kontrovers behandelt wurde das Thema Bau von Sozialwohnungen und eine mögliche Steuern- und Abgabensenkung beim Erwerb einer Wohnimmobilie.
Jochen Ludewig, Vorsitzender des Verbands beratender Ingenieure Hessen machte in seinem Schlusswort auch in Hinblick auf die anstehende Landtagswahl in Hessen deutlich: „Bauen muss ganz oben auf die Tagesordnung. Die heute angesprochenen Themen müssen nachhaltig angegangen werden, um Verkehrsinfarkt und Wohnungsnot noch abzuwenden!“
Die gemeinsame Jahresauftaktveranstaltung soll einen fortgesetzten Dialog zwischen Bauwirtschaft und Politik unterstützen und wird in weiteren Veranstaltungen und Gesprächen fortgeführt.
VbUH, Anna Dieckhöfer