Der BDB-Frankfurt Rhein Main war Kooperationspartner der Baukulturwerkstatt der Bundesstiftung Baukultur zu „Planungskultur und Prozessqualität“ am 10./11. September 2015 in Frankfurt. Für den Vorstand war die Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Kollegin Bettina Gehbauer-Schumacher, beim Kongress anwesend.
Laut einhelliger Meinung leben wir im Jahrhundert der Städte. Doch zumindest für Deutschland müsse man dieses Urteil womöglich revidieren, so Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, auf der dritten Baukulturwerkstatt im laufenden Jahr zum Thema „Stadt und Land“ im Commerzbank-Tower in Frankfurt. Auch der Raum außerhalb der Metropolen ist durch hunderte Klein- und Mittelstädte geprägt, die oftmals in Sachen Wirtschafts- und Innovationskraft den Metropolregionen ebenbürtig sind.
Wirklich ländliche Räume sind hingegen eher schwer zu finden. Doch trotz Wanderungstendenzen in die Großstädte besitzen viele dieser ländlichen Regionen eine große Anziehungskraft, denn je voller die Städte werden, desto mehr Menschen werden auch auf dem Land den Ausgleich suchen. Für attraktive Gemeinden ist vor allem eine Konzentration auf den Bestand und eine lebendige Ortsmitte wichtig: Ein Gasthaus, ein Dorfladen, ein Gemeindehaus. Was aber darüber hinaus gebraucht wird, sind Leitbilder zur weiteren Entwicklung, Gestaltungssatzungen, die verhindern, dass traditionelle Ortsbilder gestört werden und eine engagierte Verwaltung neben engagierten Bürgern.
Viele gute Beispiele hierfür wurden auf der Baukulturwerkstatt „Planungskultur und Prozessqualität“ in Frankfurt vorgestellt. Die Gemeinde Weyarn im Voralpenland entschied sich beispielsweise dafür, ihren Charakter als Landgemeinde behalten zu wollen. Neubauten müssen sich in dieses Leitbild fügen und unverträgliche Nutzungen werden abgelehnt. Mit dem Kauf von Grundstücken betreibt die Gemeinde außerdem eine aktive Bodenpolitik. Die Grundstücke werden im Erbbaurecht an ortsansässige Familien oder Gewerbetreibende vergeben, und zwar nicht wie üblich für 99, sondern für 149 Jahre. Arnsberg im Sauerland setzt trotz Bevölkerungsrückgang positive Impulse und konzentriert sich dabei auf die Innenentwicklung. Verkehrsflächen werden reduziert, öffentliche Nutzungen wie das Stadtarchiv im kommunalen Altbaubestand angesiedelt und leerstehende Ladenflächen für Tanzkurse oder gemeinschaftliche Abendessen zur Verfügung gestellt.
Dass nicht nur die historischen Zentren, sondern auch die zahlreichen Einfamilienhausgebiete der Nachkriegszeit Zukunft haben, demonstriert die Regionale 2016 im westlichen Münsterland. Obwohl diese Gebiete derzeit von Überalterung gekennzeichnet sind, bieten sie gegenüber neuen Siedlungen zahlreiche Vorteile: Zentrumsnähe, bestehende Nachbarschaften, großzügige Grundstücke und Potenziale zur Nachverdichtung und Anpassung an neue Wohnformen.
Einen Gestaltungsbeirat besaß bis 2011 auch die Deutsche Bahn für ihre Brückenbauten. Zu selten jedoch wurde dieser Brückenbeirat einbezogen und der von ihm erarbeitete Leitfaden beachtet, so dass in vielen Fällen Standardentwürfe statt gestalterisch wertvollere und womöglich sogar kostengünstigere Alternativen zur Ausführung kamen. Die Teilnehmer der Baukulturwerkstatt plädierten einhellig für eine Wiedereinsetzung des Beirats und zugleich für mehr Gestaltung bei Ingenieurbauwerken.
Dieser umfassende Ausblick auf die vielfältigen Entwicklungen, die es in ländlichen Räumen zu steuern und zu gestalten gibt, beendete die Reihe der drei Baukulturwerkstätten zu „Stadt und Land“, die zuvor bereits in Kassel und Regensburg stattgefunden hatten. Die Ergebnisse werden als wichtiger Bestandteil in den Baukulturbericht 2016/2017 der Bundesstiftung einfließen, der im Sommer 2016 erscheinen wird.
Bundesstiftung Baukultur