Expertenrunde präsentiert Vorschläge für erste pragmatische
Schritte zur Beschränkung der Baukostenexplosion
• Engpass bei Bauland überwinden
• Einheitliche Regulierungen mit Wirtschaftlichkeitsgebot
• Moratorium für neue Regulierungen
• Verfahren bei Baugenehmigungen optimieren
„Es gibt keinen Markt, dessen Kosten- und Preisentwicklungen von so vielen Faktoren gleichzeitig getrieben wird, wie der Wohnungsbau. Wenn wir die vergangenen zehn Jahre betrachten, dann hatten und haben praktisch alle Veränderungen der Rahmenbedingungen steigende Kosten zur Folge, einige davon haben sich sogar explosionsartig entwickelt‘, stellte Rudolf Ridinger, Sprecher der Aktion „Impulse für den Wohnungsbau- HESSEN“, nach einem Expertensymposium in Frankfurt zur Entwicklung der Wohnkosten fest.
Ridinger nannte auch konkrete Gründe: „Wir haben kontinuierlich schlechtere steuerliche Rahmenbedingungen; die Baukosten sind um rund 20 Prozent gestiegen, die qualitativen Anforderungen an das Bauen wurden zudem immer wie der nach oben geschraubt. Gleichzeitig stieg der Flächenverbrauch pro Kopf. Außerdem konzentriert sich die Nachfrage nach Wohnraum auf die Innenstädte der Verdichtungsregionen, also auf Märkte, in denen Grund und Boden für Neubau knapp ist. Deshalb ist die Kostenexplosion beim Bauland besonders ausgeprägt. Seit 2004 lag die Steigerung in Hessen bei rund 40 Prozent“, so Ridinger.
Obwohl die Politik auf allen Ebenen, ob Europäische Union, Bund, Länder oder Kommunen, selbst an der Preisschraube drehe, fordere sie gleichzeitig mehr preisgünstiges Wohnen. Das habe nichts mehr mit Bodenhaftung zu tun. Angesichts der Vielfalt der preistreibenden Effekte wäre schon viel erreicht, wenn es gelänge, die anhaltenden Preissteigerungen wenigstens zu dämpfen.
Hierfür benannte die Expertengruppe mehrere Schlüsselfaktoren:
Engpass bei Bauland überwinden
Der Engpass Bauland müsse vor allem durch bestehende Nachverdichtungspo tenziale verringert werden. Hier sei durch Aufstockung, Anbauten bis hin zur Quartiersgestaltung vieles möglich. „Während wir in anderen Ländern häufig die urbane, dichte Bebauung in den Städten mit sechsgeschossigen Wchnhäusern bewundern, stößt in Deutschland die Nachverdichtung schon ab dem dritten Stockwerk immer wieder auf grundsätzliche Vorbehalte“, sagte Stefan Bürger, Geschäftsführer der GWH Wohnungsgesellschaft mbH Hessen. Nachverdichtung könne dabei auch so gestaltet werden, dass dies zu einer besseren Wohnqualität für alle Bewohner beiträgt, betonte Ridinger, etwa mit Blick auf die Gestaltung
von Wohnquartieren aus den 50er bis 70er Jahren oder auch im Hinblick auf die
Konversion von Gewerbegebieten. Hier seien besonders die Kommunen mit den Instrumenten des Planungsrechts gefordert. Gleichzeitig würden starre Stall platzsatzungen Entwicklungsmöglichkeiten im Bestand hemmen, nicht selten sogar verhindern. Auch Änderungen im Landesbaurecht könnten den Woh nungsmarkt entlasten; etwa, wenn die Vorschriften bei der Aufstockung von Gebäuden entschärft würden.
Einheitliche Regulierungen mit Wirtschaftlichkeitsgebot
Neue qualitative Anforderungen an das Bauen gebe es auf allen politischen Ebenen. Diese lieferten sich gleichsam einen Regulierungswettbewerb. Die Bundesländer überböten sich gegenseitig dabei, neue kostentreibende Regelungen im Baurecht zu verankern. Diese reichten von Vorgaben für Begrünungen, über neue Anforderungen an zusätzliche Fahrradabstellplätze, bis hin zum Bau von rollstuhlgerechten Wohnungen, die andere Grundrisse erforderten. Das Land Hessen plane zudem eine neue Abgabe zur Finanzierung des Personennahverkehrs. „Wenn Vorschriften zu Baustandards, die in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt haben, zum großen Teil wegfallen würden, könnte die Effizienz der Grundstücke und damit der vermietbare Wohnraum in Einzelfällen um bis zu 15 Prozent gesteigert werden“, sagte Tobias Rösinger, Geschäftsführer WENTZ&CO. GMBH.
Dies alles erhöhe unmittelbar die Kosten für Investitionen in den jeweiligen Bun desländern. Bei überregional tätigen Investoren entstünden zudem Folgekosten durch unterschiedliche Landesvorgaben. Die Länder sollten sich deshalb unterei nander besser abstimmen und alle Vorgaben unter den Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit stellen.
Moratorium für Neuregulierungen
ln der Wohnungsbaupraxis werde es aufgrund einer zunehmenden Regulierungsgeschwindigkeit immer schwieriger, den Überblick über den Stand der je weils neuen Vorschriften zu behalten. Zudem müssten Investitionsplanungen immer häufiger an neue Vorgaben angepasst werden. Hinzu komme, dass Neuregelungen häufig nicht auf ihre Praxistauglichkeit geprüft seien und somit unklar blieben. Deshalb sollten neue Regulierungen im Baurecht in deutlich größeren Abständen erfolgen. Auch sollten diese Änderungen in jedem Fall vor lnkrafttre ten auf ihre Auswirkungen hin evaluiert werden, schlagen die Akteure des Bündnisses vor.
Verfahren bei Baugenehmigungen optimieren
Immer mehr Bauregulierungen führten auch in der Baugenehmigungspraxis zu Unsicherheiten und Verzögerungen. Hier zeigten sich häufig Widersprüchlichkei ten, zum Beispiel zwischen Anforderungen an den Brandschutz und den Denkmal schutz. Zudem seien unterschiedliche Zuständigkeiten, zum Beispiel bei der Förderung von Investitionen, ein Grund für erhebliche Verzögerungen. Deshalb müssten die Verfahren optimiert werden. Hier könne das Land über die Stärkung der Rolle des Wohnungsbaukoordinators ein wichtiger Impulsgeber sein. Ähnliche Institutionen sollten auch auf kommunaler Ebene geschaffen werden, schlug Ridinger vor.
Bei ihrer Expertenrunde habe sich die Aktion „Impulse für den Wohnungsbau – HESSEN“ auf Lösungsansätze konzentriert, die mit einem geringen Aufwand verwirklicht werden könnten. Das Bündnis halte aber zahlreiche weitere Schritte für notwendig, um das Angebot an preisgünstigem Wohnraum zu steigern. Anreize durch Förderung spielten dabei eine wichtige Rolle. Weitere Schritte seien notwendig. Die beteiligten Kammern und Verbände verabschiedeten bei ihrer Sitzung auch ein Positionspapier, das die Themenpalette für eine zukunftsorien tierte Wohnungspolitik benennt. Die Akteure des Bündnisses böten sich dabei als Partner auf Länder- und kommunaler Ebene an, um die notwendigen Schritte gemeinsam zu konkretisieren. Sie unterstützten dabei auch die Vorschläge ihrer Partner auf Bundesebene.
IW-Hessen