Bauen? Normen! Irrsinn!


Klaus Kada: „Wir Architekten sind Hartz 4-Typen.“

Die Baukonjunktur brummt. Die Auftragsbücher der Unternehmen sind voll. Nur eine Branche profitiert davon nicht, obwohl sie der Kern jedes Baugeschehens sein sollte: Die Architekten befinden sich im Würgegriff von industriegesteuerten Normen und Sicherheitsvorschriften, und sie gehen in Bürokratie unter. Konzerne und Manager haben den Bauherren ersetzt, und wo kein Anspruchspartner mit Willen zur Qualität regiert, wo sich die Verantwortung für ein Projekt in der Masse von Controllern, Projekt- und Facilitymanagern verliert, bleibt die Architektur auf der Strecke.

Der Architekt als Generalist, bei dem alle Fäden zusammenlaufen, der ein Projekt von A bis Z durchdenkt und optimiert, ist, auch aufgrund der zunehmenden Komplexität von Gebäuden, Geschichte. Ein paar Wenige reiten zwar noch auf diesem Dinosaurier in Richtung Sonnenuntergang, doch alle wissen, dass sich die Branche in einem massiven Wandel befindet. Der betrifft letztlich nicht nur die Planer, sondern uns alle, die wir in dieser neu gebauten Umwelt unter dem Joch der Kleinkariertheit werden leben müssen.

Christoph Chorherr von den Grünen führt ein Beispiel an: „Gnade uns Gott, würden wir heute die Ringstraße bauen!“ Laut der gängigen Vorschriften bräuchte sie eine Lärmschutzwand. Dafür gäbe es die Baumalleen nicht, weil sie der Feuerwehr im Weg stünden, und die Fassaden, so Chorherr, wolle man sich lieber gar nicht erst vorstellen. Auch an innovative, von der Freude an der Herstellung von bestmöglichem Wohnraum getragene Projekte, wie etwa der Maßstäbe setzende, 1993 fertiggestellte Wohnbau der Architekten Henke & Schreieck in der Wiener Frauenfelderstraße, wäre dieser Tage nicht einmal mehr zu denken. Marta Schreieck: „Kein Mensch würde sich da drübertrauen. Heute geht es vielmehr um Raumminimierung, um unendlich viele Zwei-Zimmer-Wohnungen mit Abstellraum und um Gewinnoptimierung, die Architekturqualität ist anscheinend egal.“ Für zukunftsweisende Entwicklung bleibe kein Raum.

Eine Flut an Normen, die das Bauen enorm verteuern, Auftraggeber, die jegliche Haftungen dafür an die Architekten abschieben, das Damoklesschwert der Juristerei stets über dem Haupt. Architekt Klaus Kada meint, über Architektur zu sprechen sei mittlerweile ein „philosophisches Privatvergnügen“ geworden. „Juristen, Banker, Manager, Versicherer sitzen überall, quatschen überall drein und haben von nichts Ahnung.“ Und sie schaffen einen Wust an unnötiger Bürokratie. Allein im Zuge eines einzigen Wohnbauprojekts in Wien habe er über 6500 E-Mails bekommen: „Die Bearbeitung jedes einzelnen kostet ein Büro gut 40 Euro, doch wenn du auch nur eines liegen lässt, dann haben sie dich schon irgendwo in der Haftung, weil du es widerspruchslos genehmigt hast. Mit Schriftverkehr und Herumtelefonieren verbrätst du fast das ganze Honorar.“

Überhaupt sei die gängige Meinung, Architekten würden sich goldene Armaturen verdienen, lachhaft. Kada: „Eine Architektenstunde kostet so viel wie die eines Automechanikers, doch dort regt sich keiner auf. Wir Architekten sind Hartz 4-Typen.“ Andere verdienen bei deutlich weniger Aufwand erstaunlich viel mehr an dem Geschäft mit Gebäuden. Jakob Dunkl von Querkraft Architekten: „Wenn wir feststellen, dass ein von uns geplantes Haus zum Verkauf steht und allein der Makler mehr für die Vermittlung bekommt als wir für die gesamte Planung, ist das schon verwunderlich.“

Wir sind eine „Hosenscheissergesellschaft“, sagt Johannes Kaufmann.

Das Bezahlungssystem befinde sich in Schieflage, hochqualifizierte Mitarbeiter würden unangemessen entlohnt, Direktaufträge seien inexistent. Dunkl: „Wir machen für zwei, drei Projekte 30 Wettbewerbe, das ist der helle Wahnsinn. Wenn ich hingegen einen Rechtsanwalt anrufe, verlangt der allein für den Erstkontakt 400 Euro, das kann ja nicht sein.“  Die Juristerei, darüber sind sich alle einig, nehme aufs Unangenehmste überhand. Schuld daran, so der Vorarlberger Architekt Johannes Kaufmann, seien letztlich wir alle, die wir zu einer „Hosenscheissergesellschaft“ verkommen wären, keinerlei Eigenverantwortung mehr zeigten und stets einen Schuldigen brauchten.

„Der Kampf um qualitätsvolle Architektur“, so Kaufmann, der sich als Vorarlberger im Gegensatz zu der im Osten der Nation tätigen Architekturwelt zumindest noch kulturbewusster Bauherren erfreuen kann, müsse über die absurd ausufernden Normen geführt werden. Für Christoph Chorherr ist der Untergang der verantwortungsbewussten Bauherrschaft zwar immer noch das größere Problem, doch auch er empfindet den Normenwahn als Irrsinn. Vor allem, weil „ein jahrzehntelang politisch überhaupt nicht gesteuertes Normungsinstitut als privater Verein“ dafür zuständig ist: „In dieser Ausgeburt des Kapitalismus sitzen vor allem Lobbyisten verschiedener Unternehmen, die unter der Flagge der Sicherheit auf allen Ebenen eine Norm nach der anderen durchboxen. Und alles, was das Bauen teurer macht, ist für irgendjemanden ein Geschäft.“

Kaufmann meint, es werde im vermeintlichen Dienst an der Sicherheit „mit Kanonen auf Spatzen geschossen“, und zwar in jedem Gewerke, von der Brandsicherheit bis hin zum Schallschutz: „Es ist alles so dermaßen hochgeschraubt worden in den vergangenen 20 Jahren, das ist unvorstellbar, und es beeinflusst die Baukosten natürlich enorm.“ Decken werden aufgrund verschärfter Schallschutzvorschriften dicker, Fundamente wegen der Normen in Sachen Bodenmechanik unendlich viel aufwendiger als früher, von Wärmedämmung ganz zu schweigen.

Kollegin Elke Delugan-Meissl sieht nur noch Sicherheits-, doch keine Wohlfühl- und Qualitätsnormen und schon gar keine Passion für letztere: „Wer als Architekt keinen Namen hat, wird wie der letzte Dillo behandelt, du fühlst dich wie ein Zulieferer, du bist nur noch einer von vielen am Tisch.“ Dabei müsse Architektur fraglos wirtschaftlich sein, doch „jeder will mitschneiden, und am Ende des Tages bleibt für uns bei voller Verantwortung vom Kuchen wenig für die Planung über.“

Der Eisenstädter Architekt Klaus-Jürgen Bauer wirft ein weiteres Argument in den Ring: „Der normale Handwerker – eine aussterbende Spezies übrigens – hat gegen den Pfuscher, der in der Regel zumindest um die Differenz Mehrwertsteuer billiger ist, keine Chance am Markt.“ Diese Klage führen viele. Vor allem für Wiener Baustellen müssen Architekten nicht selten früher Selbstverständliches detailliert in Pläne einzeichnen, weil oftmals ungelerntes Personal zugange ist, das keine Texte lesen kann.

Bauer sieht, wie alle anderen auch, das Problem als eines unserer Gesellschaft: „Sorgfalt und Behutsamkeit brauchen Zeit, und die wird nicht bezahlt.“ Ob der Stellenwert des Architekten abgenommen habe? „Wenn die Zukunft unseres Bauens bedeutet, großmaßstäbliche Industrieanwendungsobjekte herzustellen, dann braucht man dafür keinen Architekten in unserem Ausbildungssinn, sondern eine Planungsmaschine, die geölt im Hintergrund läuft.“

Ute Woltron
www.utewoltron.at




Bauland Colloquium in den Räumen der IHK-Frankfurt

v.l.: Thomas M. Reimann, Manfred Ockel, Mike Josef, Prof. Dr. Martin Wentz, Monika Fontaine-Kretschmer, Ricarda Pätzold und Prof. Dr. Guido Spars

Gerne folgte der Frankfurter Unternehmer, Vorsitzende des VhU-Bau- und Immobilienausschusses und Vorstand des BDB-HESSENFRANKFURT Thomas M. Reimann der Einladung der Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung e.V. in Berlin. In den Räumen der IHK Frankfurt am Main begrüßte am 30. Januar 2019 Prof. Dr. Martin Wentz gut 150 interessierte Zuhörer zum städtebaulichen Colloqium „Baulandknappheit überwinden – bezahlbares Wohnen sichern“.

In einem Fazit und Ausblick „Wo stehen wir, wie verbessern wir unsere Handlungsmöglichkeiten?“ diskutierte eine hochkarätig besetzte Runde von Experten 90 Minuten denkbare Lösungsansätze. Reimann machte dabei deutlich, dass auch Bauen in den kommenden Jahren nicht günstiger werden wird. Auf die Frage von Prof. Dr. Wentz, warum 2018 die Kostensteigerung bei nun 6% liegt und somit deutlich über den Vorjahren, fand Reimann eine klare Antwort:

„Ja, wir haben steigende Baupreise. Die Materialkosten sind gestiegen und wir hatten jüngst Tariflohnerhöhungen, aber auch zunehmende staatliche Regulierung sorgt mich. Man neigt in diesen Zeiten zu einer Fülle von Regularien, die das Bauen und das Herstellen, auch von bezahlbarem Wohnraum, nicht günstiger macht. Ich denke da an die Vielzahl von Normen und Verordnungen.“

Reimann macht es an einem einfachen und durchaus nachvollziehbarem Beispiel fest: „Wir haben gerade jetzt die große Chance, mit wegweisenden und vernünftigen Entscheidungen die Zukunft in der Wohnungswirtschaft zu gestalten, um Menschen in unserer Region mit ausreichend Wohnraum zu versorgen. Die Energieeinsparverordnung darf nicht weiter verschärft werden, sondern sollte auf den Stand 2014 zurückgeführt werden. Vorschriften wie die Zwangsbelüftung in Bauwerken kosten viel Geld und bringen an vielen Stellen keinerlei ökologischen Mehrwert. Nutzungszwänge für erneuerbare Energien sollten abgeschafft und die Mindeststandards bei Neubau und Sanierung abgesenkt werden.“

Die Ausführungen sorgten in der Expertenrunde für eine angeregte Diskussion. Gefragt nach einem Schlusssatz im Rahmen der Podiumsdiskussion, äußerte Reimann eine einfache Bitte: „Wir brauchen in Frankfurt und dem Umland, also in der gesamten Rhein-Main-Region mehr Bauland, um der großen Nachfrage mit einem ausreichenden Angebot entgegen zu kommen und wir müssen in den Abläufen schneller werden, also entbürokratisieren. Ich plädiere für Anreize im Kommunalen Finanzausgleich. Kommunen, die benötigte Flächen bereitstellen, sollten vom Land bei den Folgekosten für neue Infrastruktur entlastet werden und hier kann und muss das Land finanziell helfen.

Reimann kandidiert bei den aktuellen Wahlen der IHK Frankfurt am Main für die Wahlgruppe 10, Bau- und Immobilienwirtschaft.

Dr. h.c. Thomas M. Reimann, BDB-HESSENFRANKFURT




DIE NEUEN AUSSTELLUNGSTHEMEN 2019 IM DAM

ERFOLGREICHSTES BESUCHERJAHR SEIT DEN ERÖFFNUNGS-JAHREN DES DAM

DAS NEUE FRANKFURT DAMALS WIE HEUTE, DIE VIBRIERENDE ARCHITEKTURSZENE VON BANGLADESCH, DIE URSPRÜNGE DER FRANKFURTER PAULSKIRCHE UND PIONIERE DER SPIELPLATZ-PROJEKTE – DAS SIND DIE NEUEN AUSSTELLUNGSTHEMEN 2019 IM DAM

Deutsches Architekturmuseum

Das
Deutsche Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt am Main hat heute auf
seiner Jahrespressekonferenz das Ausstellungsprogramm für 2019
vorgestellt und für das Jahr 2018 eine sehr erfolgreiche Bilanz
gezogen – 16 Wechselausstellungen, die Dauerausstellung “Von der
Urhütte zum Wolkenkratzer” und knapp 400 Veranstaltungen brachten
2018 insgesamt 110.712 Besucher ins Haus. Im November 2018 wurde die
100.000ste Besucherin im DAM geehrt. Der Besucherdurchschnitt liegt
im DAM in der Regel bei 75.000 bis 80.000 Besuchern im Jahr. Die
„magische Marke“ der 100.000 konnte neben einem breit gefächerten
Veranstaltungs- und Ausstellungsprogramm insbesondere durch die beim
Publikum sehr beliebten großen Ausstellungen „SOS Brutalismus“,
„Frau Architekt“, „Große
Oper
– viel Theater?“, „Fahr Rad“ und nun auch „Die immer Neue
Altstadt“ erreicht werden. „Diese Ausstellungen boten relevante
Themen für die breite Bevölkerung – nah an aktuellen Ereignissen
in Architektur und Stadtentwicklung. Dank der hervorragenden
Leistungen des gesamten Teams konnten wir die Besucherzahlen der
Vorjahre weit übertreffen und über 110.000 Besucher im DAM
begrüßen“, so DAM-Direktor Peter Cachola Schmal. Das
traditionelle Sommer- und Winterferienprogramm „LegoBaustelle“
lockte 2018 rund 8.400 kleine und große Besucher in das DAM.

Das Ausstellungsprogramm 2019 thematisiert mit gleich zwei Ausstellungen Beispiele für bezahlbares Wohnen – aus der Perspektive des Neuen Frankfurt 1925-1933 und mit dem Wettbewerb Wohnen für alle heute. Im Sommer nimmt das DAM die Besucher mit auf eine Reise in die vibrierende Architekturszene Bangladeschs. Zudem rücken im Herbst das Denkmal Paulskirche und die pionierhaften Spielplatzgestaltungen des 20. Jahrhunderts in den Fokus.

Noch bis zum 22. April 2019 sind die besten 25 Bauten in und aus Deutschland einschließlich dem Preisträger des DAM Preis 2019 zu sehen – die Auszeichnung ging an gmp Architekten – von Gerkan, Marg und Partner für die Modernisierung und den Umbau des Kulturpalasts Dresden.

Als Beitrag der gemeinsamen Initiative von Historisches Museum, Museum Angewandte Kunst und Deutsches Architekturmuseum zum Bauhaus-Jubiläum zeigt die Ausstellung „Neuer Mensch, Neue Wohnung“ die Architektur des Neuen Frankfurt 1925–1933. Das beispielhafte Wohnungs- und Städtebauprogramm von internationaler Ausstrahlung begründete den Ruhm der Stadt als Hochburg der Moderne (23. März – 18. August 2019).

Zum Bauhaus-Jubiläumsjahr findet zudem eine zweiteilige Vorlesungsreihe des CCSA (Center for Critical Studies in Architecture) statt, mit der ein kritischer Blick auf das Bauhaus gerichtet wird. Im Zentrum steht die Architektur: Ihre Rezeption, die Migration der Akteure und die Kritik am Bauhaus sind die Themen für Vorträge und Dialoge.

Edda Rössler, Roessler ProResult




3. Real Estate Circle: Mobil, hybrid und bestens finanziert – so investiert man erfolgreich in Immobilien

 

 

Seit 2017 befasst sich der Real Estate Circle mit der Veredelung von Quartieren. Dabei stehen vor allem Büro- und Gewerbequartiere im Mittelpunkt, die mit Wohnen verknüpft werden. In unserem dritten Kongress werfen wir einen Blick auf die neusten Entwicklungen im Lyoner Quartier, der ehemaligen Bürostadt Niederrad. Doch wir schauen – wie immer – auch darüber hinaus. Unsere Themen sind 2019 Verkehr, Hybride Gebäudenutzung und Finanzierung. Wie lösen wir Verkehrsprobleme in Quartieren, die sich rasant verändern, damit sich unser Investment lohnt? Welche Potenziale bieten Carsharing, Fahrräder, Busse und Bahnen? Wie gelingt es, Wohnen, Arbeiten und Freizeit in Gebäuden und im Quartier enger zu verbinden? Und wer finanziert so etwas am Ende, wenn die Immobilien-Produkte dadurch anfälliger für Risiken werden. Seien Sie dabei, diskutieren Sie mit und nutzen Sie das Credo unserer Kongressreihe: die Schatzsuche in Büroquartieren geht weiter und Trüffel gibt es überall!

 

Der Real Estate Circle geht 2019 bereits in die dritte Runde. Der Kongress befasst sich mit der Veredelung von Quartieren, vor allem mit Büro- und Gewerbequartieren, die mit Wohnen kombiniert werden. Wir blicken auf die neuesten Entwicklungen im Lyoner Quartier, der ehemaligen Bürostadt Niederrad und darüber hinaus.

 

Merken Sie sich Donnerstag, 04. April 2019 schon einmal vor. Seien Sie dabei beim 3. Real Estate Circle „Veredelung von Büro- und Gewerbequartieren“ in Frankfurt am Main.

 

Eine Anmeldemöglichkeit und das Programm finden Sie hier.

 

Als Kooperationspartner können wir unseren Mitgliedern die Teilnahme zum vergünstigten Preis von 175 Euro zzgl. MwSt. anbieten. Außerdem wird der Veranstalter bei der Landesarchitektenkammer Fortbildungspunkte beantragen.

 

BDB-HESSENFRANKFURT