die ‚bubble‘ verlassen – Kammer muss öffentlichkeitswirksamer werden
Bei der diesjährigen Mitgliederversammlung im Sommer habe ich mich spontan dazu entschlossen, ebenfalls für den BDB-HESSENFRANKFURT zur Wahl der Vertreterversammlung anzutreten.
Ich bin schon langjähriges Mitglied im BDB. Bereits zu Studienzeiten bin ich auf Anraten meines Vaters beigetreten. Er selbst ist auch Architekt und ebenfalls seit dem Studium Mitglied. Bisher war ich aber eher passiv, habe die Zeitschriften gelesen und an ein paar Exkursionen in Frankfurt teilgenommen. Als dann bei der Mitgliederversammlung gefragt wurde, wer sich an der Kammerwahl beteiligen will, dachte ich: warum eigentlich nicht?
Ich bin seit 2016 berufstätig und seit 2019 Mitglied der Architektenkammer Hessen. Für mich stand schon immer fest, dass ich mich eines Tages als „Architektin“ bezeichnen möchte. Bei den Kollegen aus meiner Generation sind da die Meinungen geteilt. Nicht alle werden Kammermitglied. Und diejenigen, die beitreten, mach dies vor allem wegen des Versorgungswerks. Es heißt dann meistens: „Wenn ich mich nicht selbstständig mache, dann muss ich ja nicht in die Kammer.“
Aber es geht um so viel mehr. Seit mehr als zwei Jahren bin ich Projektleiterin und vorwiegend in den Leistungsphasen 3 und 4 tätig. Hier bin ich im Arbeitsalltag ständig mit neuen Satzungen, Formblättern etc. konfrontiert. Selbst im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren ist die Liste an einzureichenden Unterlagen lang. Wenn ich da an die Generation meines Vaters denke, als der Architekt den Bauantrag alleine bewerkstelligen konnte, sind wir davon meilenweit entfernt. Aktuelles Beispiel: Die Gestaltungssatzung Freiraum und Klima der Stadt Frankfurt am Main, am 10.05.2023 in Kraft getreten. Bei der Liste an Vorgaben bräuchte es eigentlich die Zuarbeit von einem Landschaftsarchitekten. Bei kleineren Projekten lohnt sich die Zusammenarbeit leider nicht und am Ende macht man es doch selbst. Hier fühle ich mich von der Kammer alleine gelassen und wünsche ich mir mehr Unterstützung. Zum einen braucht es einen Rahmen, in dem die Inhalte besprochen werden. Die Sinnhaftigkeit der einzelnen Forderungen ist nämlich diskussionswürdig. Zum anderen bräuchten wir Hilfestellung durch Seminare oder dergleichen. Woher soll ich als Architekt wissen, welcher mittelkroniger Baum nun standortgerecht ist?
Mir liegt Klima- und Umweltschutz sehr am Herzen. Ich hoffe, ich spreche hier auch für die Mehrheit meiner Berufskollegen. Als Architekt hat man immer das Ziel, die Welt ein klein wenig besser zu gestalten. Wir sind uns der Verantwortung bewusst, und dass wir mit jeder Baumaßnahme direkten Einfluss auf die Umwelt nehmen. Deshalb müssen wir nachhaltig denken und handeln. Zu diesem Thema kommt von Bauherrenseite immer öfter die Frage nach einer Gebäudezertifizierung. Ein Label von DGNB, LEED, BREEAM etc. ist für einige sogar mittlerweile Standard. Hier stellt sich mir die Frage, ob die Kriterien, welche entscheidend für den Grad an „Nachhaltigkeit“ sind, immer sinnvoll sind. Maßnahmen werden umgesetzt, damit sie Punkte generieren, aber ob sie hierzulande einen positiven Einfluss bewirken, muss ebenfalls untersucht werden. Auch hier wünsche ich mir mehr als ein Signal von der Architektenkammer.
Generell möchte ich, dass die Kammer die „bubble“ verlässt und wir als Architekten mehr im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Andere Kammerberufe wie Ärzte, Anwälte etc. erfahren mehr Wertschätzung in der Gesellschaft. Dass man in gewissen Situationen einen Anwalt zu Rate zieht oder einen Arzt konsultiert steht außer Frage. Doch wann braucht man einen Architekten? Hier muss unser Bild mehr gestärkt werden. Die Kammer muss in die Pflicht genommen werden, deutlich mehr dafür zu tun. Aufzuzeigen, welche Vorteile es für private Bauherrn bedeutet, einen Architekten zu beauftragen. Schließlich leisten wir einen wertvollen Beitrag zur Gesellschaft erwirtschaften einen bedeutenden Anteil an der Wertschöpfung.
Melissa von der Sitt