Brauchen wir eine Bauen-Quote?

Kein Abgeordneter mit Bauberufshintergrund im Hessischen Landtag

Parität ist wichtig in der Parteipolitik. Wenn Wahllisten für die Wahlen aufgestellt werden, dann wird geschaut, dass aus jedem Landesteil jemand vertreten ist. Es sollen auch möglichst zur Hälfte Frauen sein. Integration und Teilhabe wird am Besten vermittelt, wenn Mitglieder mit Migrationshintergrund dabei sind.
Aber wie relevant ist Berufserfahrung, Branchenwissen und Verankerung im ausführenden Gewerbe für die parteipolitische Laufbahn noch?

Angela Merkel wurde von Kohl insbesondere gefördert, weil sie eine Frau aus dem Osten war. Zum Grund, warum Robert Habeck auf die Kanzlerkandidatur verzichten mußte, sagte er einmal: „Dass Annalena eine Frau ist in einem ansonsten männlichen Wahlkampf, war ein zentrales Kriterium.“ Und Sawsan Chebli, ehemalige Sprecherin des Auswärtigen Amtes formuliert ganz offen: „Ich bin natürlich auf diesem Migrantenticket da wo ich bin.“

Und wie steht es mit der Parität der Berufsbilder?

Schaut man sich die Mitglieder des 20. Hessischen Landtags an, dann gibt es keinen, der eine Ausbildung in der Baubranche abgeschlossen hat, niemand der Bauingenieur ist, auch keinen Architekten oder Bauunternehmer. Wenn in anderen Belangen es so wichtig ist, den gesellschaftlichen Querschnitt abzubilden, warum gibt es kein Gespür dafür, daß Diversität auch dann leidet, wenn Juristen, Politologen und Soziologen überproportional von den Parteien in die Parlamente entsendet werden?

Das war nicht immer so. Die Abgeordneten des 1. Hessischen Landtags waren Ihre berufliche Herkunft betreffend viel diverser, viel bunter als der heutige Landtag. Damals gab es neben Juristen, promovierten Volkswirtschaftlern und habilitierten Staatsrechtlern auch ausgebildete Zimmerer, Maurermeister, Tiefbauer und Pflasterer unter den Abgeordneten. Auch einfache Bauhandwerker und Bautechniker waren Mitglieder des Landtags.

Darüber hinaus gab es Abgeordnete, die berufliche Tätigkeit als Vermessungsgehilfe, Ziegelarbeiter oder Tischler vorweisen konnten.
Der Ausbildungsberuf Schlosser war damals besonders häufig unter den Abgeordneten vertreten.

Auffällig, wie oft der Weg aus der Ausbildung über die berufliche Praxis und Weiterbildung in die Berufsvertretung führte und dann auch in die politische Vertretung im Parlament. Ein Beispiel dafür ist Wilhelm Bauer (MdL), der nach der Mittelschule eine Lehre als Spengler und Installateur machte, seine Meisterprüfung ablegte und Obermeister, Kreishandwerksmeister und Landesinnungsmeister wurde.

Karl Reitz (MdL), legte nach Volksschule, Fortbildungsschule und Höherer Baugewerkeschule die Meisterprüfung ab und war dann Mitinhaber und Geschäftsführer einer Dampfziegelei und eines Dampfsägewerks.

Heinrich Achenbach (MdL) machte nach der Volksschule eine Maurerlehre und arbeitete dann als Polier.

Fritz Catta (MdL) legte nach Mittelschule und höherer Privatschule die Meisterprüfung als Maurer und Zimmerer ab, besuchte die Baugewerkeschule in Kassel und war als Architekt tätig.

Der bauberufliche Erfahrungsschatz war damals in allen Parteien im Landtag vertreten.

Ein Landtag, dessen Abgeordnete bereits aufgrund eigener beruflicher Werdegänge stärker im handwerklichen Bereich verankert sind, die als Fachkräfte in der Wirtschaft gearbeitet haben oder als Unternehmer die Probleme bei der Ausbildung junger Menschen selbst kennengelernt haben, erhält andere Impulse, führt Diskussionen anders und trifft andere Entscheidungen. Bisweilen könnten Ergebnisse handfester und klarer ausfallen.
Wir brauchen mehr Diversität was die beruflichen Hintergründe der politischen Vertreter der Parteien im Landtag betrifft.

BDB-HESSENFRANKFURT