auf ein WORT: Thomas M. Reimann

Das Abklingen der dritten Corona-Welle und die Rückkehr des öffentlichen Lebens ist erst einmal eine gute Nachricht. Viele in der Baubranche dürften sich trotzdem hin- und her gerissen fühlen. Einerseits Optimismus und Aufbruchsstimmung nach Monaten der Corona-Beschränkungen. Andererseits verläuft die Erholung der Konjunktur schneller als erwartet – was unsere Branche anhand drastischer Lieferengpässe und Preissteigerungen bei Baumaterialien zu spüren bekommt.

War die Bauwirtschaft im vergangenen Corona-Jahr noch eine wesentliche Stütze der Konjunktur, droht nun auf vielen Baustellen trotz gut gefüllter Auftragsbücher Kurzarbeit aufgrund knapper Baumaterialien. Und auch die finanziellen Risiken aufgrund einzuhaltender Verträge sind nicht zu unterschätzen.

Die unerwartet schnelle Konjunkturerholung in China und den USA und die schnell anziehende Nachfrage haben den Markt für viele Baustoffe leergefegt. Die Lieferkette stockt bei Holz, Dämmstoffen, Stahl, PVC-Rohren, Farben und Lacken. Innerhalb kurzer Zeit sind viele Materialien um 20 Prozent und mehr teurer geworden, wenn sie überhaupt noch verfügbar sind. Seit Beginn der Pandemie hat sich der Stahlpreis mehr als verdoppelt. Bei größeren Bestellungen winken einige Baustoffhändler ab. Selbst Dämmstoffe für Mehrfamilienhäuser müssen mühsam zusammentelefoniert werden. Das gab es in den 35 Jahren, in denen ich in der Bauwirtschaft tätig bin, noch nicht.

Vielen Unternehmen werfen die scharfen Preisanstiege die Kostenkalkulationen über den Haufen. Angebote schreiben grenzt an Glückspiel – da könnte man gleich aufs EM-Endspiel wetten.

Nach dem verregneten Frühjahr wird die Baukonjunktur nun ein weiteres Mal ausgebremst. Damit dürfte klar sein, 2021 wird weniger gebaut und Wohnen bleibt weiter teuer. Vor allem im Rhein-Main-Gebiet, wo zusätzlicher Wohnraum dringend benötigt wird, ist das eine schlechte Nachricht. Denn gegen steigende Mieten hilft vor allem mehr Bauen.

Als Unternehmer bin ich zwar grundsätzlich Optimist, mein Ausblick auf die zweite Jahreshälfte und darüber hinaus ist dennoch eingetrübt. Es wird wohl noch mehrere Monate dauern, bis sich die Baustoffpreise wieder stabilisieren. Derweil droht durch die Bundestagswahl im September schon neues Ungemach. Was SPD und Grüne im Köcher haben, lässt auf nichts Gutes hoffen. Auch die jüngst diskutierte Einführung einer Solardachpflicht wird die Baupreise weiter steigen lassen.

Derweil scheint ein ganz anderes Thema weiter in der Versenkung zu bleiben, obwohl die Missstände seit langem offenkundig sind: die Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren. Seit Jahren beklagen Bauherren Verzögerungen und unnötige Kostensteigerungen. Wir müssen unbedingt die Regelwerke für Bauen und Planen entschlacken. Genehmigungsverfahren müssen gestrafft werden, die Möglichkeiten der Digitalisierung müssen für einfachere und schnellere Verfahren sorgen. Überdeutlich macht dies der Fabrikbau von Tesla in Brandenburg, wo eine milliardenteure Fabrik schneller errichtet ist, als die Baugenehmigung erteilt. Hoffen wir darauf, dass unsere Jungs eine gute EM spielen. Der Stimmung am Bau würde es nicht schaden.

Thomas M. Reimann
Unternehmer BDB
Vorstand für Öffentlichkeitsarbeit BDB-HESSENFRANKFURT