BIM – ein (kritischer) Zwischenbericht (less can be more)






Für viele am Bau Beteiligte gibt es momentan neben Corona eigentlich nur ein Hauptthema: BIM

Wir möchten daher aus der Sicht eines mittelständigen Architekturbüros unserer Erfahrungen in der Praxis erläutern. Wir haben uns in den letzten Jahren intensiv mit BIM-Planung beschäftigt und diese im täglichen Gebrauch angewendet. BIM ermöglicht neue Planungsperspektiven, führt aber auch zu Problemen, die wir ansprechen möchten.

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Spezialisten, auf die wir beim Thema BIM antreffen,  so z.B.: BIM-Architekt, BIM-Coordinator, BIM-Manager etc. Vielen dieser Spezialisten ist gemeinsam, daß sie in der Praxis  noch niemals mit einem BIM-fähigen Programm gearbeitet haben.




Wir möchten daher unserer Erfahrungen mit dem BIM-Prozess wie folgt zusammenfassen:




1. BIM-Prozess / theoretische Betrachtung:

Die BIM-Methode wird in Wikipedia wie folgt beschrieben:

„Der Begriff Building Information Modeling (kurz: BIM; deutsch: Bauwerksdatenmodellierung) beschreibt eine Methode der vernetzten Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden und anderen Bauwerken mithilfe von Software.“

Das bedeutet im Umkehrschluss, daß BIM als Methode dazu gedacht ist, ein Gebäude ganzheitlich von seiner Planung, über die Bewirtschaftung bis hin zu seinem Ende (=Abriss) zu beurteilen. Hierzu sind (im Gegensatz zu einer herkömmlichen Planung)  eine Vielzahl von zusätzlichen Informationen notwendig, die weit über das normale Leistungsbild eines Planers (Architekten und Ingenieure) hinausgeht. Daher stellt sich hier die Frage, ob diese Methode für alle Gebäudearten die Richtige ist.

Dies wollen wir anhand von 2 Planungssituationen beispielhaft erläutern:

Neubau eines Bürohochhauses:

Der Bauherr möchte ein neues Bürogebäude als Firmensitz errichten und dies hiernach entsprechend betreiben. Er hat anspruchsvolle Räumlichkeiten und ist bereit, den Mehraufwand in der Planung zu bezahlen, da er sich hierdurch im Betrieb des Gebäudes Vorteile durch einer erweiterte Planung nach BIM verspricht. Das digitale BIM-Modell wird an einen professionellen Facility-Manager übergeben, der in der Lage ist, dies in seine Systeme entsprechend einzupflegen.

Neubau eines Kindergartens in einer Kleinstadt

Der „BIM Manager“, der den Bürgermeister berät, hat diesem empfohlen, den neuen Kindergarten unbedingt nach BIM planen zu lassen. Der seitens der Stadtplanung favorisierte Architekt, der einen ersten Entwurf hierzu bereits als Akquise erstellt hat, ist leider nicht in der Lage, BIM anzubieten. Dafür wird ein anderes großes Architekturbüro beauftragt. In der Auftragsverhandlung schreibt der BIM-Manager dem Architekten in den Vertrag „Alle Leistungen sind als BIM vorzulegen“. Die Planung erfolgt nach BIM (der Architekt ärgert sich über den Mehraufwand), ein BIM Modell wird an die Stadt als Träger der KITA übergeben. Hiernach wird die Datei archiviert, da keiner in der Stadtverwaltung mit dieser umgehen kann.

Folgend Fragen werfen die beiden dargestellten Beispiele auf:

– Gibt es einen tatsächlichen Mehrwert für die Errichtung und insbesondere die darauffolgende Bewirtschaftung des Gebäudes? In der Praxis werden viele Gebäude errichtet und später an Nutzer übergeben, die keine große technische Kenntnis haben.

– Und wenn ja, ist geklärt, wer den Mehraufwand hierfür bezahlt? Der Errichter? Der Betreiber? Der spätere Eigentümer?

– Schränke ich den Kreis der hierfür möglichen Planer durch unnötige hohe technische Hürden ein?

2. Probleme in der Praxis:

2D vs. 3D/BIM:

Über Jahrhunderte hat sich die 2-D Zeichnung in Aufriss, Schnitt und Ansicht bewährt und ist jedem erfahrenen Planer ins Blut übergegangen. Es handelt sich um eine vereinfachte Darstellung der 3D Wirklichkeit und reduziert die Informationen auf das zur Umsetzung notwendige Maß. Dieses Darstellung hat sich in der Praxis bewährt und ist bis heute die übliche Form im Bauwesen, auch für Planungen, die nach der BIM-Methode erstellt wurden.

In der aktuellen Planungspraxis bedeutet dies, ein Gebäude wird 3-dimensional eingegeben, um hieraus im Endergebnis eine 2-Darstellung zu generieren. Hierbei stoßen die Programme immer wieder an Grenzen, die Darstellungen sind oft schlecht zu lesen („Geht halt nicht anders mit dem Programm“ ist eine gängige Antwort der jeweiligen Projektplaner).

Eigentlich sind BIM-Planungsprogramme keine klassischen Zeichenprogramme, sondern hochkomplexe 3D Puzzle. Das wesentliche Problem hierbei ist, daß man detaillierte Festlegungen zu einem  Zeitpunkt treffen muss, an dem diese weder erforderlich, noch sinnvoll sind (wie z.B. genaue Fensterformen im Vorentwurf etc.).

Wie in vielen anderen Bereichen der heutigen digitalisierten Welt ist das wesentliche Thema ja nicht die Beschaffung von Informationen, sondern die Reduzierung von Information auf das notwendige und sinnvolle Maß.

Monopolstellung

Der Markt wird beherrscht von einem deutschen und einem amerikanischen Softwarekonzern. Die propagierte Kompatibilität ist, wie schon bei früheren Formaten wie DWG, nur theoretisch vorhanden und wird seitens der Softwarekonzerne hintertrieben. Des Weiteren klinken sich die großen Hersteller von Bauteilen in die BIM-Bibliotheken ein. Frühzeitig wird ein genaues Produkt eines großen Herstellers ausgewählt, eine solche Methode ist somit nicht produktneutral und benachteiligt kleineer Anbieter und individuelle Planungslösungen.

Schnittstellen:

Neben der bereits erwähnten Problematik der unterschiedlichen Austauschformate stellt sich die Frage, wie die Methode durchgängig gewährleistet werden soll:

Ein Planungsbüro plant durchgängig  bis zur Ausführungsplanung inkl. aller haustechnischen Einbauten. Die ausführende Firma soll dann die Montageplanung in BIM übernehmen, da ja in der Verhandlung doch noch das ein oder andere Produkt geändert wurde.  Die Softwareindustrie stellt sich dies nun so vor, daß dann der TGA-Monteur vor Ort über ein digitales Eingabegerät die Änderungen in der Praxis einträgt (Montageplanung). Diese Planung wird dann an den Betreiber übergeben und stellt alle Einbauten korrekt inkl. Typenbezeichnung dar, damit auf dieser Grundlage der Betrieb des Gebäudes optimiert werden kann.

Ist dies, insbesondere angesichts des aktuellen Fachkräftemangels und der immer geringeren Qualifikation der ausführende Monteure vor Ort realistisch? Unsere Antwort aus der Praxis lautet nein.

graphische Qualität:

Die graphische Qualität der vorherrschenden Programme ist – trotzt anderslautender Beteuerung der Hersteller –  unzureichend. Ich bin immer wieder erstaunt, wenn aus einem hochkomplexem BIM-Programm eine Graphik erzeugt wird, die mich an ein Computerspiel aus den 90er Jahren erinnert. Hier sollten doch nicht alle ästhetischen Grundsätze über den Haufen geworfen werden, mit der Begründen „ist halt ein BIM-Zeichenprogramm, geht nicht anders“.

Vergleich mit der Autoindustrie:

„Die Autoindustrie plant seit Jahren alle Ihre Fahrzeuge in allen Einzelteilen in einem BIM-Vergleichbaren Verfahren, warum geht das beim Bauen nicht?“

 Der wesentliche Unterscheid hierzu ist die Stückzahl. Während z.B. die BMW 3er Touring Reihe Stückzahlen von ca. 0.5 Mio aufweist, ist jedes Haus ein Unikat. Selbst bei einem sehr ähnlichen Bauvorhaben können oft auf Grund sich permanent ändernder Vorschriften nur wenige Parameter übernommen werden. Insofern sind die Planungskosten von Industrieprodukten auf Grund der Stückzahlen niemals vergleichbar mit dem Planungsaufwand von Gebäuden, die immer individuell auf den Ort und den Nutzer reagieren müssen.

Resümee

Natürlich wird sich die Digitalisierung auch im Bau-und Planungswesen nicht aufhalten lassen und ermöglicht neue Wege. Allerdings sollte man nicht blindlinks allen technischen Versprechungen, insbesondere denen großer Softwarekonzerne, Glauben schenken, sondern kritisch hinterfragen, welche technischen Möglichkeiten und Neuerungen tatsächlich einen Mehrwert für die jeweilige Planungsaufgabe  bringen und welche schlicht überflüssig sind (und somit entweder die Baukosten unnötig erhöhen, oder zu Lasten eines Planungsbüros gehen).

Bei manchen Projekten wird man dann vielleicht doch auch hinsichtlich der Thematik BIM-Planung zum Grundsatz von Mies van der Rohe gelangen: „Less is more“




Till Marwede
BDB-HESSENFRANKFURT