Urlaubsgeschichten…

10-3 Artikel Urlaubsgeschichten Sylt (web)

 

 

wie Architekt Christoph Freier auf Sylt Baukultur pflegt

Mit dem beantragten Abriss von „Nielsens Kaffeegarten“ in Keitum auf Sylt würde ein Gebäude verloren gehen, dass die Geschichte des Dorfes in ganz besonderer Weise aufzeigt und das Dorfbild ganz einmalig bereichert hat.

„Nielsens Kaffeegarten“ ist in Keitum das imposanteste erhaltene Gebäude aus der Zeit der Jahrhundertwende und mit seiner Lage direkt an der Uferseite prägt es die gesamte Wattansicht; erhabener ragt nur noch die Keitumer Kirche am westlichen Ortsrand empor. Erbaut von Käpitän Friedrich Petersen sollte der Neubau nach dem Willen seiner geltungsbedürftigen Frau Agnes auch zeigen, dass ihr Mann es in den 1880er Jahren in der „Neuen Welt“ als Schiffsführer zu beachtlichem Wohlstand gebracht hatte. Auf diesen Fahrten hatte er ja seine in Mexiko lebende spätere Ehefrau kennengelernt, ihr war es aber zu eng in dem alten Friesenhaus der Familie, als sie ihrem Ehemann auf die Insel folgte. Da sie große Häuser aus Amerika gewohnt war, entstand nun ein ungewöhnlich hohes dreigeschossiges Bauwerk, das überall als das „Herrenhaus“ bekannt wurde. Bauunternehmer waren Max Hansen und Bomhoff. Auch für die von Agnes Petersen mitgebrachten Papageien und Affen gab es jetzt genug Platz. Große Feste und Zusammentreffen wurden hier nur für einen gesellschaftlich anerkannten und ausgewählten Personenkreis abgehalten. Nach dem Tod der Eheleute Petersen verkaufte eine Erbin 1917 den Gebäudekomplex an den Bäckerei- und Konditormeister Nikolei Nielsen und seine Frau Meta aus Westerland. Erst nach dem Ende des ersten Weltkrieges, währenddessen das Haus teilweise vom Militär besetzt und als Blinkstation benutzt war, eröffnete das Ehepaar Nielsen am 19.Mai 1919 am Himmelsfahrttag ihr neues Café. Ihre Bäckerei in Westerland verkauften sie bald danach und richteten ihre Backräume in dem Caféhaus ein.

Durch das wachsende Gästeaufkommen auf der Insel verbesserten sich die wirtschaftlichen Bedingungen; mit der Eröffnung des Hindenburgdammes wurde eine neue Veranda für den Kaffeegarten eingeweiht, und der Zuspruch der Besucher, die auf ihren Ausflügen Keitum entdeckten, nahm stetig zu. „Nielsens Kaffeegarten“ wurde zu einer weithin bekannten Einrichtung.

[Bild 1] historische Aufnahme Nielsens Kaffeegarten

Das Gebäude hat durch die willkürlichen Anbauten sicher viel von seinem alten Charme eingebüßt, aber wie bei jedem alten Gebäude ließen sich die Fehler der Vergangenheit auch wieder korrigieren; ein so hoher Baukörper mit dem einzigartigem Blick über das Wattenmeer kann nie wieder errichtet werden und stellt damit auch einen unschätzbaren Immobilienwert dar. Um gleichzeitig den Fortbestand des Betriebes zu gewährleisten könnte nach dem Abriss der störenden Anbauten ein ganz modernes Café westlich des alten Gebäudes errichtet werden, wo jetzt auch ein ideenloses Friesenhausimmitat geplant ist. „Alt“ und „Neu“ könnte sich gegenseitig bereichern an einem Platz, der sicher noch zu den schönsten in ganz Keitum zählt.